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Jorubert Brox - Das Frettchen
in Gesocksens Leben 11.11.2016 18:42von Lia • Goddess of Randomness | 802 Beiträge
Frühling, 16. Mai, Zeit der langen Stunden
Die Langeweile ist wie ein Fluch über mich gezogen, plagt mich mit ihren Exzessen müßiger Nichtstuerei und verwandelt mein Hirn in eine zähflüssige Suppe, von der nicht mal ein Troll kosten würde. Auch wenn ich mir da nicht sicher bin, denn ich verfüge über keinerlei nähere Kenntnisse der Essgewohnheiten eines Trolls. Die Worte fließen nicht wie sonst, ich fühle mich träge, der Alkohol ist längst aufgebraucht, und ich bin auch kein August, der in solchen Momenten anfängt, tiefgehenden Gedanken (oder anderen tiefgehenden Beschäftigungen) zu folgen. Ein jeder Satz kostet mich Minuten der Geduld, und ich habe keine Ahnung, warum ich Tinte und Papier an derart sinnlose Phrasen verschwende. Allerdings liegt mein letzter Eintrag auch bereits einiger Schnapsflaschen zurück, und die Langeweile. Für die, die jetzt verwirrt sind: für gewöhnlich gehören einige Teile mehr zu einem Satz, doch nichts könnte bezeichnender auf meinen bemängelswerten Zustand angewendet werden als die einsame Leere eines einzelnen Wortes, schmachtend nach Sinn und Zweck, mit dem es durch das Hinzufügen einiger weniger weiterer Buchstabenreihen erfüllt zu sein strebt. Ich bin in einem neuen Ort angekommen. Vor mir breitet sich eine sonnengetränkte Graslandschaft aus, und eine matte Brise wiegt sanft die sprießenden Halme. Ich ließ den Sumpf voller Mücken und irriger Lichtergestalten hinter mir und betrat einen Sumpf voller wirrer Gedanken. Außerhalb der Stadtmauern treiben sich allerlei Gestalten herum, und ich habe ein halbes Lot seltsames Rauchkraut erstanden, welches angeblich von einem fernen Kontinent stammt, wenngleich es vermutlich weitaus ferner vom Gesetz liegt, wenn ich mir den Händler ins Gedächtnis rufe. Die Stadtwache ist ein lausiger Haufen, der mich an die Schülerschaft der Academia zu Brimborium erinnert. Die haben auch immer geglaubt, dass das, was sie tun, einen Sinn hat. Zu erwähnen, dass dies selbstverständlich nicht der Fall war, ist wohl kaum vonnöten, aber da mein imaginärer Leser mir bis jetzt noch nie geantwortet hat, war es mir bisher unmöglich, das Ausmaß seiner Intelligenz festzustellen.
Die Größe der Stadt ist schier erschlagend (tatsächlich sahen einige der Leichen, die so manche Nacht in den Gassen liegen, ziemlich verdächtig aus), und dennoch finde ich keine Arbeit. Die Lobpreisungen der Reisenden, denen ich begegnete und mit denen ich mich traute, ein wenig zu plaudern, schienen mir einigermaßen übertrieben. Zwischen dieser und jeder anderen Stadt auf den zweihundert Meilen meines Weges besteht lediglich ein quantitativer Unterschied, denn auch hier riechen die Straßen nach Exkrementen und die Menschen nach Schweiß. Der Dreck säumt meine Stiefel, wohin ich auch gehe und selbst wohin ich nicht gehe.
Während ich schreibe, starrt mich so ein Kerl die ganze Zeit an, auch wenn er es nicht bemerkt. Mir auf die Wiesen vor der Stadt zu folgen, ist unmöglich mit einer derartigen Unauffälligkeit zu bewerkstelligen, was mich zu der Annahme drängt, dass er etwas im Schilde führt. Auch scheint er sein Messer nicht zum Gräsersicheln mitgebracht zu haben.
Die Zeit des ehrlichen Biers ist angebrochen, ich habe zum Schreiben die Lokalität gewechselt und sitze mit dem Rücken zur Wand in einer Mauernische am Fischmarkt, wie ich ihn getauft habe. Die faule Note, die hier in der Mittagshitze aufsteigt, überdeckt selbst den Scheißgestank, der sich immer in den schweren, nebligen Dampfschwaden kurz nach Morgengrauen sammelt. Es ist kalt und sehr windig, und es ist voll von torkelnden Betrunkenen, leicht bekleideten Weibern, grölenden, rennenden, umtriebigen Leuten und der albernen Stadtwache, was faszinierend homogen zum täglichen Geschehen ist. Auch wenn die meisten bei Tageslicht hässlicher aussehen, wie August mir erzählte, und ich muss ihm recht geben. Die kurze Aufregung, die mir der Lauf in die Stadt zurück verschaffte, befreite mich leider nicht von der Last der Langeweile, und allmählich zittern mir die Finger. Ich würde eine Taverne aufsuchen, aber da ich kein Geld habe, säße ich nur still in der Ecke und täte nichts, mit dem Unterschied, dass die Menschen wesentlich enger um mich gedrängt wären – und das ist nun wirklich nichts Erstrebenswertes, und zwar nicht nur wegen dem Geruch. Je weiter ich darüber nachdenke, desto verlorener fühle ich mich zwischen diesen Mauern. Vollkommene Resignation. Ein angebrachter Zeitpunkt, mich dem neuen Rauchkraut zu widmen...

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